Heute geht es um das Thema „Selbstbestimmt sterben – gerade auch im Alter. Wir wollen sprechen über eine differenzierte Haltung zum Sterben wollen, Sterben können und Sterben dürfen.
Dazu begrüße ich die Philosophin und Autorin Suzann Viola Renninger.
Herzlich willkommen, Frau Renninger.
Sie sind Autorin des Buches: „Wenn Sie kein Feigling sind, Herr Pfarrer – Werner Kriesi hilft sterben“.
Grundlage Ihres Buches sind unzählige Gespräche mit Werner Kriesi – einem Schweizer Freitodbegleiter, der schon sehr viele Menschen in den Freitod begleitet hat und mit noch mehr Menschen über das Thema gesprochen hat. Eingeschobenen haben Sie philosophische, theologische und soziologische Passagen, um den Lesenden, die mit der Diskussion um das Recht auf selbstbestimmtes Sterben verbundene Grauzonen und den emotionalen Widersprüchen reflektierbar und erlebbar zu machen. Dazu schreiben Sie auch etwas über das Thema Altersfreitod. Dieses gewinnt bei einer immer langlebigeren Gesellschaft an Bedeutung, da sich in den letzten 10 Jahren die Zahl der Hochaltrigen über 85 mehr als verdoppelt hat, Ende Dezember 2021 waren über 2,6 Millionen Menschen in Deutschland über 85 Jahre alt.
Darüber haben wir im Zusammenhang von „Selbstbestimmt sterben – gerade auch im Alter“ gesprochen
- Frau Renninger, was hat Sie dazu bewogen, Ihr Buch zu schreiben?
- Das Karlsruher Urteil zum selbstbestimmten Sterben vom Februar 2020 spricht in den ersten beiden Leitsätzen folgendes aus:
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
b) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
- Mich würde interessieren, was das Urteil bei Ihnen ausgelöst hat? Und was wird es aus Ihrer Sicht verändern bzw. was wäre aus Ihrer Sicht ein guter Weg, der jetzt beschritten werden könnte?
- Das Thema „Freitod“ spaltet nach wie vor die Gesellschaft. Sie haben eine Stelle im Buch, wo sie von Menschen sprechen, die bezogen auf ihre Haltung auf zwei Planeten leben. Dies kann sich auch innerhalb von Familien zeigen. Wie sollte aus Sicht von Ihnen bzw. Werner Kriesi das Thema im engeren Umfeld besprochen werden? Was haben Sie in den Gesprächen mit Werner Kriesi dazu erfahren?
- Und weiter: was können Menschen tun, um mit ihren damit oft einhergehenden gefühlsmäßigen Berg- und Talfahrten umzugehen?
- In Ihrem Buch bieten Sie den Lesenden unterschiedliche philosophische, soziologischen und religiöse Ausflüge an, um das Thema „selbstbestimmtes Sterben“ aus diesen verschiedenen Denkrichtungen zu beleuchten. Ich würde gerne auf die von Epiktet eingehen, einem Philosophen, der die Schule der Stoa vertritt, die gerade in der heutigen Zeit eine Renaissance erlebt. Epiktet verwendet ein Bild „Die Tür steht offen“, was meint er damit genau?
- Die Erfahrungen zeigen auch, dass viele Menschen, froh sind, wenn sie die Option haben, frei aus dem Leben zu gehen. Viele nehmen die Möglichkeit dann jedoch nicht in Anspruch. Was verändert vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen, Frau Renninger, die Option auf einen möglichen Freitod.
- Kommen wir zum Altersfreitod. Mir war dieser Begriff bis zur Lektüre Ihres Buches gar nicht präsent. Ich habe nur immer gehört, dass die Suizidraten bei älteren Menschen über 65 und vor allem dann bei Menschen über 80 im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung deutlich zunehmen und dass die Dunkelziffer enorm ist. Im Buch erzählt Werner Kriesi von einem Mann über 80-jährigen Mann, der für sich Sterbehilfe in Anspruch genommen hat und Sie selbst sind als sogenannte „Zeugin“ bei einer 91 – jährigen Dame dabei. Altersfreitod, ich für mich würde gerne aus heutiger Sicht diese Möglichkeit haben, ohne meine Angehörigen oder auch mich in eine schwierige Situation zu bringen. Was denken Sie zu selbstbestimmt sterben – gerade auch im Alter dazu?
- Frau Renninger, was glauben Sie, können Menschen im Alter tun, um sich auch mehr mit dem Ende, dem Sterben auseinanderzusetzen und was sind für Sie Kennzeichen guter Gespräch auch über den Freitod?
- Wenn Sie etwas wünschen könnten, wohin sollte sich das Thema „Selbstbestimmt sterben – gerade auch im Alter“ hinentwickeln?
Hier geht es zur Homepage von Suzann Viola Renniger!
In dieser Folge können Sie hören, wie Sie mit einem Verlust eines lieben Menschen umgehen können. Dazu spreche ich mit Christine Kempkes.
Foto oben – Copyright Suzann-Viola Renninger
Foto im Text – Copyright Michel Gilgen
Bertram Kasper ist Podcaster, Blogger, Autor, Speaker, Altersstratege und wird gerne als Visionär in Sachen Älterwerden bezeichnet. Ihm ist es ein Anliegen, mit seinem Podcast, seinem Magazin und mit seinen Vorträgen einen differenzierten Blick auf das Älterwerden zu werfen.
Hier auf seiner Internetseite können Sie seinen Podcast hören, in seinem Magazin lesen und ihn für Vorträge buchen.