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Pimp My Rollator: Wenn Hilfsmittel Haltung zeigen – Social Design, Aktivismus & Gelassenheit

Quietschbunte Rollatoren, reflektierende Sticker, ein fröhlicher Korso durch die HafenCity – und überall Gespräche über Würde, Freiheit und gute Gestaltung.

Anlass: Am 19. Juni 2025 hat die Social Design Week Hamburg das Format „Pimp My Rollator“ auf die Bühne geholt. Mit dabei: Kathrin Bardt & Christiane Müller (Age of Style)Robert Eysoldt (Age Bombs), Künstlerinnen, Rollator-Nutzerinnen und Menschen, die Mobilität neu denken – jenseits von Beige und Stigma.

Inhaltsverzeichnis

Warum der Rollator – und nicht „irgendwas anderes“?

Der Rollator ist ein Symbol. Für viele steht er – oft unfair – für „alt, krank, langsam“. Dabei bedeutet er für Nutzer*innen sehr häufig das Gegenteil:Freiheit. Unabhängigkeit. Draußen sein. Genau hier setzt Pimp My Rollatoran: Design for your future self statt grauer Einheitsbrei. Hilfsmittel sind Lebensbegleiter, keine Schamobjekte. Wenn gutes Design keine Altersgrenze kennt, sollten Hilfsmittel genauso begehrlich sein dürfen wie ein schönes Fahrrad oder eine kluge Brille.

Festival-Highlights: DIY, Kunst & ein Korso mit Signalwirkung

Tagsüber entstand in offener Werkstattatmosphäre ein bunter Mix aus DIY-StationLive-Painting und Reflektor-Workshops (danke, Reflective Berlin). Studierende der Freien Schule für Gestaltung gestalteten einen Blumen-Rollator, Künstler*innen wie Lena Schmidt-Dupol und Niklas Lüders zeigten, wie aus „Hilfsmittel“ Hingucker werden.


Krönender Abschluss: der Rollator-Korso – ein gemeinsamer Spaziergang mit Plakaten, Parolen und viel Neugier aus der Umgebung. Ein Bild, das bleibt.

Pimp My Rollator 1

Stimmen, die bleiben: Freiheit, Sichtbarkeit, Gesprächsanlass

  • Nora, Nutzerin: „Mit dem Rollator werde ich oft als ‚uninteressant‘ codiert. Für mich bedeutet er aber Freiheit – statt zu Hause zu bleiben, bin ich unterwegs.“
  • Lena Schmidt-Dupol, Künstlerin: Ein farbstarker Rollator als Kommunikator – Farbe zuerst, dann der Klönschnack. So entsteht Kontakt statt Einsamkeit.
  • Reflective Berlin: Reflektierende Sticker sind nicht nur ästhetisch, sondern Sichtbarkeit und Sicherheitzugleich – auch für abends.
  • Politische Perspektive: Aus der Sicht der altersfreundlichen Stadt (WHO-Netzwerk) sind Teilhabe und barrierearmer öffentlicher Raum zentral: Beleuchtung, längere Ampelzeiten, weniger Stolperfallen.
  • Dänischer Produktblick: Denk den Rollator wie ein Fahrrad – funktional und ästhetisch. Menschen wählen als Kund*innen, nicht als Patient*innen.

Systemfragen: Vom Patient zum Menschen – und zur Kundin

Vieles hakt nicht an mangelnder Fantasie, sondern am System: Kassenlogiken, sperrige Zulassungen, Leihmodelle. Standardrollatoren „erfüllen die Pflicht“, aber selten den Wunsch. Ergebnis: geringe Akzeptanz, vermeidbare Scham – und Geräte, die am Ende auf dem Sperrmüll landen. Die Alternative?

  • Produkte, die Funktion & Würde verbinden.
  • Co-Design mit Nutzer*innen aller Lebensphasen.
  • Kulturwandel: von „hauptsache funktional“ zu „funktional und schön“.

Wie geht’s weiter? Open-Source-Gedanke & Community

Das Format lädt ausdrücklich zum Nachmachen ein – in Seniorenzentren, Nachbarschaften, Schulen. Eine DIY-Box(Sticker, Bänder, kleine Accessoires, Schablonen) kann als mobiles Mitmach-Atelier dienen. Und ja: How-to-Gedanken sind im Umlauf – damit aus einer inspirierenden Aktion eine bewegliche Community wird. Wer anknüpfen mag: Sucht lokale Verbündete (Kunstschule, Sanitätshaus, Quartiersmanagement) und startet klein – zwei Stunden reichen für einen starken Anfang.

Praxis: 7 Tipps, um (Leih-)Rollatoren rechtssicher zu „pimpen“

  1. Eigentum klären: Leihgeräte der Kasse bitte nicht dauerhaft lackieren. Setzen Sie auf abziehbare Lösungen.
  2. Reflektierende Folie: Sticker, die rückstandsfrei ablösbar sind, erhöhen Sichtbarkeit – plus Sicherheitsgewinn.
  3. Textile Add-ons: Körbchen, Taschen, bunte Griffe, Klingeln – an- statt aufkleben (Klett, Kabelbinder).
  4. Sitz & Griffhöhe behalten: Optik nie vor Ergonomie. Alle Funktionen müssen frei bleiben.
  5. Kontrast denken: Hohe Farbkontraste helfen beim Erkennen der Kanten und Bremsen.
  6. Werkzeug light: Schere, Cuttermesser, Malerkrepp, Zollstock, Alkoholtücher (Entfetten vor dem Kleben).
  7. Foto & Feier: Vorher-Nachher-Fotos machen, Geschichte erzählen – Sichtbarkeit baut Stigma ab.

Fazit & Einladung

Pimp My Rollator zeigt: Hilfsmittel können Haltung zeigen – und Menschen sichtbar machen, statt sie zu verstecken. Wenn Gestaltung Teilhabe ermöglicht und Gespräche anstößt, rückt die dritte Lebensphase ein Stückchen näher in die Mitte der Gesellschaft.

🎧 Die Podcast-Folge zur Aktion vertieft Stimmen, Ideen und Kontroversen – hören Sie rein und teilen Sie die Episode gern in Ihrem Umfeld.
💬 Ihre Erfahrung zählt: Wie sähe Ihr Wunsch-Rollator aus? Welche Hürden erleben Sie in Ihrer Nachbarschaft – und was hat schon funktioniert? Schreiben Sie uns.

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