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Lebensphase Freiheit: ein Trialog über Mut, Maß und Mosaiksteine

Zwischen Genug, Autonomie und Experimentierlust: Was wir aus dem Gespräch mit Gudrun Behm-Steidel und Gisela Enders mitnehmen.

Es beginnt mit einer scheinbar einfachen Frage, die sich im Ohr festhakt wie ein Refrain: Wer bin ich ohne meinen Beruf? In unserer neuen Podcast-Folge von „Gelassen älter werden“ spreche ich gemeinsam im Trialog mit Gudrun Behm-Steidel, Erfinderin des Begriffs Lebensphase Freiheit“ und Gastgeberin einer wachsenden, wertschätzenden Community, sowie Gisela Enders, Coach und Autorin des neuen Workbooks „Aktiver Ruhestand – wie der Weg dorthin gelingt“. Herausgekommen ist ein lebendiges Gespräch darüber, wie der Übergang gelingen kann: ohne Hast, ohne Dogmen, dafür mit Haltung.

Warum „Lebensphase Freiheit“ mehr ist als ein hübsches Etikett

Gudrun beschreibt ihren Weg als organische Entwicklung: vom Hochschulbetrieb in eine neue, selbstbestimmte Taktung. Freiheit – nicht als Flucht, sondern als bewusste Wahl: Welche Projekte will ich? Welche lasse ich? Und wie viel Raum bekommen Beziehungen, Bewegung, Muße? Aus Gudruns Newsletter wurden Live-Treffen, aus Treffen eine Community: ein geschützter Ort, an dem Erfahrungen, Fragen und Zweifel zirkulieren dürfen. Kein Rezepte-Basar – ein Resonanzraum.

Fragen statt Rezeptlisten: Das Workbook „Aktiver Ruhestand“

Gisela geht bewusst gegen den Strich der 101-Listen. Ihr Workbook ist Selbstcoaching pur: kluge Fragen, klare Arbeitsbögen, Platz zum Nachspüren. Denn fertig servierte Antworten sind oft zu glatt. Was trägt, entsteht, wenn wir eigene Antworten finden. Das Buch passt in den Alltag von Einzelnen, aber auch in Gruppen, Kurse oder Seminare (Stichwort: Vorbereitung auf den Ruhestand in Unternehmen, Verbänden oder Freiwilligenagenturen). Und ja, es deckt das ganze Spektrum ab: Finanzen, Wohnen, Beziehungen, Vorsorge – bis hin zur schlichten, schwersten Frage: „Darf ich einfach sein?“

Genug ist ein Verb

Im Gespräch taucht der Dreh- und Angelpunkt immer wieder auf: Was ist „genug“? Genug Geld, genug Zeit, genug Energie. Das ist kein Rechenexempel, sondern eine Haltungsentscheidung. Wer sein persönliches Genug kennt, kann Grenzen setzen – zum Beispiel mit Stundenlimits für die Freiberuflichkeit oder mit Rhythmuswechseln zwischen Kontemplation und Projektmodus. Aus „immer mehr“ wird „bewusst weniger – und das Richtige“.

Rollenwechsel: Wer bleibt, wenn der Titel geht?

Die Berufsidentität klebt erstaunlich lange. „Ich war…“ – sagen viele. Doch der Ruhestand ist kein Abbruch, sondern Transformation. Wir dürfen (müssen?) uns neue Geschichten erzählen: nicht nur Tätigkeitslisten, sondern Haltungen. Was gibt mir heute Sinn? Welche Tätigkeiten nähren mich wirklich? Und was darf leiser werden?

Engagement neu denken: Generativität jenseits der Institution

Ehrenamt ist mehr als ein Formular. Es kann die Pflege von Angehörigen sein, Nachbarschaft, das Weitergeben von Wissen – Podcasts, Schreiben, Community-Arbeit. Im Gespräch taucht ein schönes Praxisbeispiel auf: „Fit für die Rente“ im Freiwilligenzentrum Kassel. Dort begegnen sich Reflexion und konkretes Tun. Entscheidend bleibt: Passung. Engagement soll tragen und Freude bereiten.

Wohnen, Orte, Lebensrhythmen

Wenn die Lebensphase Freiheit konkreter wird, wird es oft räumlich: Wie und wo will ich leben? Gisela erzählt vom bewussten Umzugsprozess, Gudrun vom Leben in zwei Welten (Lanzarote/Deutschland). Solche Entscheidungen sind keine Nebenfrage – sie wirken in unsere Routinen, Beziehungen und unsere Gesundheit hinein. Manchmal braucht es Zeit. Oder, ja, den Mut zur Unterschrift.

Der „Experimentiermodus“: Erlaubnis, Dinge zu beenden

Eine Lieblingsszene: Gisela lernt Saxofon – und merkt nach einem halben Jahr, dass Singen ihr wichtiger ist. Erkenntnis: Ich muss nicht alles zu Ende bringen. Das ist keine Kapitulation, sondern eine reife Form des Lernens. Ruhestand als Erlaubnis, auszuprobieren, zu kuratieren, loszulassen.

Was wir gelernt haben – und wo wir gestolpert sind

  • Freiheit & Verbundenheit gehören zusammen. Wer Kontakte bewusst pflegt, lebt leichter – und freier.
  • Grenzen sind Fürsorge. Ein klares Stundenlimit oder „grüne/rote Wochen“ schützen vor dem alten Leistungsrad.
  • Genug braucht Vertrauen. Die innere Sicherheitsmanagerin meldet sich verlässlich – wir dürfen ihr zuhören, aber nicht alles diktieren lassen.
  • Balance ist ein Prozess. Zwischen Neugier, Ruhe, Körperpflege und sozialen Terminen – kein starres System, eher ein fein justiertes Mobile.

Drei Micro-Impulse zum Mitnehmen

  1. Ritual der Woche: Schreiben Sie montags drei Sätze: Wovon möchte ich in dieser Woche mehr? Wovon weniger? Wovon habe ich genug? – und handeln Sie eine Mini-Abmachung mit sich aus.
  2. Energiespender-Liste: Notieren Sie fünf Tätigkeiten, die zuverlässig ein gutes Gefühl machen (10–30 Minuten). Greifen Sie zu, wenn innere Leere anklopft.
  3. Experiment beenden: Beenden Sie gezielt eine Sache, die eigentlich aus Routine weiterläuft. Spüren: Was wird frei, wenn ich es lasse?

Zitate, die nachklingen

„Die revolutionärste Frage ist: Darf ich einfach sein?“ – Gisela Enders

„Lebensphase Freiheit heißt: Entscheidungen treffen dürfen – und lassen können.“ – Gudrun Behm-Steidel


Weiterführendes


💬 Frage an dich: Welche kleine Entscheidung – heute – würde deine Lebensphase Freiheit spürbar leichter machen?

Danke fürs Mitgehen, Mitdenken – und fürs Ausprobieren. Denn am Ende gilt: Freiheit ist nichts, was man hat. Freiheit ist etwas, das man tut.