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Gedanken über Vorbilder

Von Sätzen, die sich einnisten

Es gibt Sätze, die verweilen – ziehen dich fast unmerklich rein. Sie nehmen sich Zeit, schieben sich zwischen Gedanken, legen sich sanft in dein Inneres. Und eines Tages, ganz ohne Vorwarnung, spürst du: Da ist etwas, das dich verändert hat. Ohne Getöse. Ohne Ansage. Einfach so.

In meinem Podcast „Gelassen älter werden“ durfte ich vielen solchen Sätzen begegnen. Oder besser: Menschen, die diese Sätze ausgesprochen haben. Menschen mit Haltung, mit Tiefe, mit einer Form von Mut, die ich bewundere. Sie sagen nichts, um zu glänzen. Sie sagen, was sie erfahren haben. Was sie durchlebt, durchfühlt, durchdacht haben. Und dadurch öffnen sie Räume.

Räume, in denen ich mich selbst neu entdecke.

Sinn ist ein Dazwischen

Die Begegnung mit Christian Uhle

Christian Uhle hat mich berührt, wie es nur wenige schaffen. Sein Handwerkzeug sind feine Fragen, die nachdenklich machen, mehr noch, die mich zum Spüren einladen. Seine Philosophie stellt keine Thesen auf Podeste. Sie lädt ein, sie mitzudenken – gemeinsam, tastend, offen.

Er versteht Sinn als etwas, das entsteht. Zwischen Menschen. Im Gespräch. In der Begegnung, in der einmaligen Resonanz zum anderen. Und dadurch wurde mir etwas deutlich: Der Sinn des Lebens steht nicht auf einem Zettel, den man einmal findet und für immer behält. Er ist wie ein Klang, der sich nur entfaltet, wenn wir wirklich in Dialoge treten – miteinander.

Vielleicht liebe ich deshalb meinen Podcast so sehr – weil ich in diesen echten Dialogen spüre, dass etwas entsteht, das über das gesprochene Wort hinausgeht. Eine gemeinsame Bewegung, die größer ist als ich allein.

Christian ist für mich ein Denkgefährte geworden. Einer, der inspiriert, ohne zu dominieren. Der anstößt, ohne zu lenken. Und vor allem: einer, der mir zeigt, dass Sinn auch in der Leiblichkeit wohnt – in der Dynamik beim Tanzen, im Takt meines Atems, in der Bewegung draußen in der Natur.

Ein Gedanke, den ich lange übersehen habe: dass Spüren ein Wegweiser sein kann, dass Sinn sich manchmal gar nicht so einfach formulieren lässt – doch fühlen, ganz tief in mir drin.

Beziehung ist ein lebendiger Organismus

Die Tiefe von Pasqualina Perrig-Chiello

Pasqualina hat einen Blick auf Beziehungen über die Spanne des Lebens bis hoch ins Alter hinein, der mich tief beeindruckt. Sie spricht über Liebe wie andere über Gezeiten. Veränderlich, kraftvoll, notwendig in Bewegung.

Ihre Stärke liegt in der Verbindung von Forschung und Leben. Ihre Studien wirken nie abstrakt – sie erzählen Geschichten. Geschichten von Menschen, die geliebt, verloren, sich verändert haben.

Besonders hat mich ihr Gedanke zum “Verstummen“ berührt. Dass viele Partnerschaften nicht an großen Krisen zerbrechen, sondern an der Langsamkeit der Entfremdung. An jenem Moment, in dem man aufhört, sich zu wundern. In dem man aufhört zu fragen.

Und da kam dieser Satz: „Liebe ist kein Selbstläufer.“

Er trifft tief. Weil er daran erinnert, dass Beziehung tägliche Arbeit ist. Eine Kunst der Aufmerksamkeit. Eine Haltung des Staunens.

Sie sprach auch über die Kraft der Gewissenhaftigkeit – dieses scheinbar unspektakuläre Element, das Beziehungen trägt. Ein Begriff, der zunächst trocken wirkt. Und dann doch plötzlich leuchtet.

Denn Menschen, die sich kümmern, die reflektieren, die dranbleiben, die tragen. Sie sind vielleicht keine Helden der Romantik. Aber sie sind Vorbilder.

Und dann ihr Blick auf das Alter: dass Verlieben jenseits der 60 bewusster geschieht, tiefer, zarter. Weil es kostbar ist. Weil es das letzte Mal sein könnte.

Ein Gedanke, der mir lange nachging. Und eine Frage: Können wir lernen, Beziehungen als wachsende Wesen zu sehen? Immer wieder neu. Immer wieder anders.

Haltung im Wandel

Die Weitsicht von Tamara Dietl

Tamara Dietl bringt Worte in die Welt, die Halt geben und Kraft.

Sie spricht über das Leben als Übung im Aushalten. Über Krisen als Schule des Wandels. Über Unsicherheiten als Lehrmeisterin der Gegenwart.

„Wir haben keine Vorbilder für unser Älterwerden“, sagt sie. Und plötzlich wird mir klar: Das stimmt. Es gibt kaum Landkarten für das, was kommt.

Wir leben in einer Zwischenzeit. Unsere Eltern haben ein anderes Altern erlebt. Rückzug, Ruhe, Abgabe. Aber wir?

Wir müssen unseren eigenen Weg entwerfen.

Tamara zeigt, wie das gelingen kann – ohne Heldenpose, ohne Allwissenheit. Mit Neugier, mit Nachsicht, mit einer Klarheit, die Raum lässt.

Ihre Geschichte von den beiden Großmüttern – so unterschiedlich, so eigenwillig, so mutig – war für mich ein Brennglas auf die Frage, wie wir uns aus den Zuschreibungen der Vergangenheit lösen können.

Und ihr Satz „Ich bin hungrig aufs Leben“ ist mir geblieben.

Er ist ein Versprechen, dass Lernen nicht endet, dass Gestalten kein Privileg der Jungen ist, dass Verantwortung nichts mit Alter zu tun hat – sondern mit Haltung.

Gestalten statt verharren

Der Mut von Elke Jensen

Elke Jensen ist eine Wucht, eine kraftvolle Brise, die Türen öffnet, wo andere Fenster schließen.

Mit 70 gründet sie eine Firma – aus Lust.

Sie will gestalten. Probleme lösen. Schönes schaffen. Und sie tut es.

Ihr CityCaddy ist mehr als ein Produkt. Er ist eine Aussage. Eine Einladung an Menschen, sich zu bewegen, ohne sich zu schämen.

Was mich besonders beeindruckt: Ihr Blick auf Design als Haltung. Als Verbindung von Funktion und Würde. Als Respekt vor dem Alltag der anderen.

Elke fragt nicht, ob sie noch gründen darf. Sie fragt: Warum eigentlich nicht? Und diese Frage verändert alles.

Denn plötzlich ist da Raum. Für neue Geschichten. Für neue Vorbilder. Für ein Alter, das nicht abschließt, sondern aufmacht.

Vom Sein getragen

Die Weisheit von Anselm Grün

Anselm Grün trägt die Zeit in der Stimme. Und einen Frieden im Blick, der wirkt, als sei er über viele innere Landschaften gewandert.

Sein Blick auf das Alter ist getragen von Güte. Vom Einverständnis mit dem, was war – und mit dem, was kommt.

Er spricht von Loslassen als einem Prozess, der Annahme voraussetzt. Von Bedeutung, die nicht in der Leistung liegt, sondern im Sein.

Für ihn ist die Stille kein Ort der Flucht, sondern der Fülle.

Er erzählt vom frühen Morgen, von der Kerze, vom Atem. Und ich sehe es vor mir. Und spüre: Da ist jemand, der wirklich angekommen ist.

Sein Gedanke, dass das Leben im Jetzt geschieht – kein Kalenderspruch, sondern gelebte Wahrheit.

Und sein Vertrauen in die Vollendung – tröstlich, stärkend, weit.

Was sind Vorbilder?

Ich habe lange darüber nachgedacht.

Vielleicht sind Vorbilder Menschen, die mit uns gehen.

Menschen, die Spuren hinterlassen durch kluge, fast beiläufige Präsenz.

Menschen, bei mich nehmen, wie ich bin.

Sie leben Fragen. Sie strahlen etwas aus, das bleibt.

Und genau das habe ich in diesen Gesprächen gespürt: eine Kraft, eine Tiefe, eine Einladung zum eigenen Weg.

Der Klang, der bleibt

Ich trage diese Begegnungen mit mir als wunderbare Resonanzen.

Sie erinnern mich daran, dass das Älterwerden eine Reise ist. Kein Stillstand. Kein Ende. Sondern ein Weg.

Ein Weg, der von innen gegangen werden will.

Und immer wieder frage ich mich: Wozu das alles?

Vielleicht genau deswegen.