01752600238

Mal ehrlich ist da draußen irgend jemand jenseits der 25 Jahre, der oder die wirklich älter werden will. Also wird es Zeit, sich Gedanken über das Alter zu machen.

Um auf die Frage vom Anfang zurück zukommen. Ich glaube nein. Wer will schon älter werden? Zwischen 45 und 55 wollen das die meisten doch noch weniger. Der 50. Geburtstag ist für viele ein Einschnitt, denn dann wird unaufhaltsam klar, dass wir älter geworden sind und immer älter werden. Da beißt die Maus keinen Faden ab, jede Sekunde, jede Minute, jeder Tag, jeder Monat, jedes Jahr tickt unsere Älterwerden-Uhr. Es geht buchstäblich mit dem Tag der Geburt auf das Ende zu. Mit meinen Gedanken über das Alter möchte ich im folgenden Beitrag zum Nachdenken anregen, indem ich auch an der einen oder anderen Stelle provoziere und bewusst zuspitze.

Anti Aging Industrie

Jeden Tag werden wir in den sozialen Medien, bei der Werbung, im Fernsehen oder in Zeitschriften mit der Illusion einer ewigen Jugend konfrontiert. Ein ganze Anti Aging Industrie beschallt und bebildert uns immer zu. Da eine Pille, dort eine Creme und dann wieder irgendein Neofood, egal worum es geht, das Versprechen ist das ewig Gleiche, ihr werdet jung bleiben. Milliarden werden in die Bleib-Ewig-Jung-Forschung und weitere Milliarden in die Unsterblichkeitsforschung gesteckt. Da wundert es nicht, das bei der Macht der Altervermeidungssindustrie, Älterwerden zu einem sowohl gesellschaftlichen, als auch zu einem ganz individuellen Problem wird. Und wie soll unter diesen Kontextbedingungen Älterwerden positiv konnotiert werden oder gar Spaß machen?

Da muss ich mich ja 10 Jahre jünger fühlen

Die „Alten“ fühlen sich im Schnitt 10 – 15 Jahre jünger als sie tatsächlich sind, da wird das Alter nicht realisiert bzw. wir werden dazu angetrieben, auf die Illusion der Junggebliebenen hereinzufallen. Unsere Gesellschaft hat sich buchstäblich gegen das Altern in Opposition gebracht und das verwundert es nicht, dass Altern ein wirklich schlechtes Image hat. Bei manchen Diskussionen kann der aufmerksame Beobachter den Eindruck haben, dass wir in einem System leben, in dem Altwerden sogar als kränkend erlebt wird oder noch drastischer kränkend ist.

Alter steht diametral unserer permanent auf Wachstum ausgelegten Gesellschaft entgegen und wird damit als rein defizitär betrachtet. Für mich ist das ein echtes Armutszeugnis für unseren gesellschaftlichen Entwurf. Und was Altersdiskrimierung habe ich noch gar nicht gesprochen. Zu Gedanken über das Alter, gehört es eben auch, dass in vielen Unternehmen, noch nicht angekommen ist, dass wir die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen tatsächlich brauchen. So gibt es ohne tatsächliche Not immer noch Freistellungsprogramme, um die 60-Jährigen und älteren Mitarbeitenden in den vorzeitigen Ruhestand zu verabschieden. Eine teure Verjüngungskur der Belegschaft. Doch wie sind die Gedanken über das Alter von den „neuen“ Alten?

Das Lebensgefühl der „neuen“ Alten und deren Gedanken über das Alter

Wie titelt Anfang Februar 2021 Die Zeit „Das Beste kommt noch“ und spielt genau auf die zweite Lebenshälfte jenseits der 50 an. Es geht also um das „neue“ Lebensgefühl der „neuen“ Alten und um die gesteigerte Zufriedenheit im Alter. Ich will versuchen diesem Lebensgefühl einmal assoziativ nachzugehen.

Im Alter bekommt das Grundbedürfnis nach Individualität nochmals einen Schub, jedoch verbunden mit dem Urbedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Dies wird unter anderem durch das Gefühl „endlich frei zu sein“ befeuert. Die gewonnene Zeitsouveränität trägt auch dazu bei, endlich Dinge zu tun, die ich schon immer mal angehen wollte. Z.B. sich ein Hobby zu suchen oder eine Aufgabe, die neu für mich ist und mir neue Impulse gibt. Dabei suchen die „neuen“ Alten Gleichgesinnte, mit denen sie ihre Erfahrungen teilen können. Gemeinschaft wird großgeschrieben.

Und wer es ein wenig gezielter angeht, versucht sich auf diese Phase nach dem Berufsleben vorzubereiten. In der Episode mit Prof. Eckart Hammer, spreche ich genau über diese Aspekt, der Männern nach wissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich schwerer fällt.

Lebensbilanz ziehen und innehalten

Wie drückt es die schweizerische Alternsforscherin Pasqualina Perrig-Chiello aus:

„Eine neuer Ferrari und eine neue Freundin helfen nicht. Eine einsame Bergtour dagegen schon“ (Die Zeit „Das Beste kommt noch“).

Also ist innehalten angesagt, einmal Bilanz ziehen, zurück und dann nach vorne schauen. Und tatsächlich ziehen wir oft schon intuitiv Lebensbilanz, wenn wir in der Rente angekommen sind. Wir fragen uns, was wir noch von der kommenden Zeit wollen und was wir vielleicht noch erleben bzw. erfahren wollen und wie uns unsere Fähigkeiten dabei unterstützen können.

Vielen wird dann deutlich, dass sie sich noch eine Aufgabe wünschen, dass sie sich auch weiterhin gebraucht fühlen möchten. Da sind wir auch wieder bei dem Begriff der „Generativität“, auf den ich in diesem Beitrag schon einmal näher eingegangen bin.

Und die Sinnfrage taucht bei vielen Menschen in dem Transformationsprozess Ruhestand erneut auf. Wozu das alles? Was sind meine Werte und meine damit verbunden Werthaltungen? Wie werde ich mir über sie bewusst. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Ihre fünf wichtigsten Werte sind? Also ich lade Sie bei Ihren nächsten Nachmittagsspaziergang dazu ein, sich einmal genau darüber Gedanken zu machen. Gar nicht so einfach. Damit verbunden ist natürlich auch die Frage, wie wollen Sie diese Werte noch in Ihre verbleibenden Jahre integrieren, so dass Sie Ihr Leben als in sich stimmig und konsistent erleben können.

Gedanken über das Alter annehmen, das Älterwerden akzeptieren lernen

Natürlich fällt es schwer, das Älterwerden wirklich anzunehmen. Wer will sich schon damit auseinander setzen, dass ich die 10 km eben nicht mehr in 45 Min. jogge, sondern für die gleiche Strecke spazierend 2 Stunden und 45 Minuten benötige.

Doch Menschen denen es gelingt, die eigenen Ziele an den Alternsprozess anzupassen, haben es deutlich leichter, als verpassten Gelegenheiten nachzutrauern oder von sich Dingen zu fordern, die nicht altersentsprechend sind. Ohne, dass ich aktuell genau weiß von wem die folgenden Sätze stammen, drücken sie doch aus was ich meine:

Gutes Altern heißt sich mit seinem Altern anzunehmen – dann bin ich in jedem Alter die pure Jugend

Nehme ich die Einschränkungen des Alters an, dann löst es sich auf!

Es hält jung, wenn ich sage: Es ist wie es ist!

Da war noch was, das bei den Gedanken über das Alter nicht fehlen darf – die Altersangst

Auf die Altersangst bin ich erst 9 Monate später gestoßen. Vorher war das bei mir wie ausgeblendet. Als ist es Zeit für einen Nachtrag, der im November 2021 entstanden ist und er gehört auch zu den Gedanken über das Alter:

Komisch, ausgerechnet im Urlaub habe ich entdeckt, dass es noch eine ganz andere Seite des Alterns gibt. Nicht aufgrund eines konkreten Ereignissen, sondern einfach, weil ich über einen Artikel von Susanne Schneider (SZ Magazin) gestolpert bin, der ziemlich nüchtern die ganz trostlose Seite des Älterwerdens in den Blick nimmt. Und mir geht es in meinem Blog und Podcast eben auch darum, das Älterwerden differenziert darzustellen und zu der Gelassenheit kann eben auch die Angst dazu kommen. Ich möchte auf jeden Fall nicht zu denen gehören, die als Granfluencer nur den Fokus auf medienwirksame verherrlichende Sichtweisen auf das Altern haben. Es gibt eben auch die Angst vor dem Prozess des Alters, die oftmals tabuisierte Altersangst. Hier schreibe ich mehr darüber.